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web2Unter dem Motto „FLUCHT IST KEIN VERBRECHEN. ASYL EIN MENSCHENRECHT" beging der „Runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt" am 20. Juni den 20. Jahrestag seines Bestehens. 70 Besucher aus Vereinen, Verbänden, Gewerkschaften, Landespolitik und Kirchen waren der Einladung in das Gemeindezentrum der Evangelischen Altstadtgemeinde gefolgt. 
Dr. Matthias Sens, Vorsitzender des Runden Tisches erinnerte in seinen Begrüßungsworten an den Gründungshintergrund: ausländerfeindliche Übergriffe im Land und die Asylpolitik in den neunziger Jahren, nicht zuletzt auch fremdenfeindliche Einstellungen und Parolen, die unverhohlen selbst in der sogenannten „Mitte der Gesellschaft" grassierten. Eine Initiative des DGB-Landesverbandes Sachsen-Anhalt, der christlichen Kirchen und der Synagogengemeinde zu Magdeburg gründete den landesweit agierenden Verein, der damit zum ersten Netzwerk für Ausländerfreundlichkeit, Toleranz und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt wurde.

 

Bis heute zählen Anhörungen und Besuche in Landkreisen und kreisfreien Städten zur Lebenssituation der Flüchtlinge vor Ort zum „Kerngeschäft" des Runden Tisches. Fragen zur Flüchtlingsunterbingung und gesellschaftlicher Teilhabe stehen auch im Fokus regelmäßiger Gespräche mit Vertretern des Landtags. Sens dankte den Mitgliedern des Runden Tisches und engen Partnern wie dem Bündnis für Integration und Zuwanderung, dem Landesnetzwerk der Migrantenselbstorganisationen und der Auslandsgesellschaft für die gute Zusammenarbeit. Letztere unterstützt den Runden Tisch über das im einewelt haus eingerichtete Arbeitssekretariat logistisch und personell. Zudem bekommt jährlich ein/e Jugendliche/r im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres im politischen Leben die Möglichkeit, Einblick in dieses spannende Politikfeld zu erlangen. Sens dankte nicht zuletzt auch der Landeszentrale für politische Bildung als Kooperationspartnerin der Jubiläumsveranstaltung.

Landtagspräsident Detlef Gürth, Schirmherr des Runden Tisches, wies auf das nicht zufällig gewählte Datum der Jubiläumsveranstaltung hin. Der 20. Juni sei zugleich der 99. Weltflüchtlingstag und lädt zur Vergegenwärtigung ein, wie viel sich in all den Jahren NICHT geändert hätte. Nach wie vor sei Engagement nötig, „damit Menschen menschlich miteinander umgehen". „Parteienpolitisches Kalkül" sollte in Fragen der Flüchtlingspolitik keine Rolle spielen, merkte Gürth an – den gerade beginnenden Bundestagswahlkampf vor Augen? Er lobte die „Serösität" und „Fachlichkeit" der Akteure, die in ihrem Engagement für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik „dicke Bretter" zu bohren hätten.

Frau Vu Thi Huong Ha sprach in ihrem Erlebnisbericht die Lebenssituation vietnamesischer Menschen Mitte der 90-er Jahre an. Über Nacht redeten Kollegen nicht mehr mit einem, gab es offene Anfeindungen auf der Straße, Angst vor Molotowcocktails in den Wohnheimen der ehemaligen Vertragsarbeitnehmer. Hinzu kamen der Kampf um das Bleiberecht und die permanente Angst vor Abschiebung. Diese Erfahrungen führten dazu, dass Ha gemeinsam mit Vietnamesen und Deutschen im Jahr 1992 den Deutsch-Vietnamesischen Freundschaftsvereins e.V. gründete, die erste Migrantenselbstorganisation in Sachsen-Anhalt. Den Mitgliedern des Runden Tisches sprach sie anlässlich des Jubiläums „Dank für Euren Kampfgeist für Demokratie, Toleranz und Menschenrechte" aus.

Thosten Leißer, Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Deutschland, ging in seinem Hauptvortrag insbesondere auf die aktuelle flüchtlingspolitische Situation ein. Er prangerte die zunehmende Abschottung Europas an: Insbesondere die Dublin-II-Verordnung, die Drittstaatenregelung und FRONTEX seien „die Bausteine der Festung Europa".
Dabei müsse sich gerade unser christliches Abendland immer wieder an die Geschichte des Volkes Israels erinnern, das mit dem Auszug aus Ägypten am eigenen Leib erfuhr, wie wichtig ein „guter Umgang mit Fremden ist". Erst recht bekannt sei das neutestamentarische Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
45 Millionen Flüchtlinge suchen derzeit weltweit Schutz – das ist der höchste Stand seit Mitte der 90er Jahre. 80 % werden in Entwicklungsländern aufgenommen. Angesichts dieser Zahlen muss Europa dringend mehr Aufnahmeplätze für Flüchtlinge anbieten – mindesten 20000, so Leißers Forderung. Bisher stellen die EU-Staaten jedoch nur knapp 5000 Plätze für das sogenannte Resettlement-Programm der UNO bereit.
Aber auch innerhalb der „Festung" gibt es Reformbedarf. Jedoch sind auch nach Jahren massiver Kritik durch Kirchen und flüchtlingspolitische Organisationen große Reformen nicht in Sicht. Weder eine Reform des Dublin-II-Abkommens noch die Abschaffung der Residenzpflicht. Ebenso wenig eine sofortige Arbeitserlaubnis für Asylsuchende, die Abschaffung beschleunigter Flughafenverfahren und das Verbot der Inhaftierung von Flüchtlingen. Die Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes sei ein Schritt in die richtige Richtung – konsequenter sei jedoch dessen Abschaffung, denn „die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren" – wie es sogar in der Urteilsbegründung heißt.

Eine filmische Präsentation, die als eigenverantwortliches Projekt im Rahmen des FSJ-Politik von Alina Stein erstellt wurde, stellte die Akteure der Gründungszeit des Runden Tischs vor und zeigte Beispiele gesellschaftlicher Realität der frühen neunziger Jahre auf. Für die künstlerische Umrahmung sorgten Vera Kagan (Violine) und Igor Sinitsyn (Knopfakkordeon).

Im Anschluss an die Veranstaltung konnten sich die Besucher am Buffet mit original vietnamesischer Küche stärken und im wunderschönen Ambiente des begrünten Hofes der Altstadtgemeinde in Gedankenaustausch mit den Beteiligten treten.

Das Motto der Veranstaltung FLUCHT IST KEIN VERBRECHEN. ASYL EIN MENSCHENRECHT wird die Arbeit des Vereins weiterhin prägen. Oder wie es Dr. Sens in seiner Begrüßungsrede zum Ausdruck brachte: „Es wird keine Zeit geben, in der Menschlickeit keine Anwälte mehr benötigt".