Zahlreiche Vereine und Institutionen erinnerten am 11. Juni im Dessauer Stadtpark gemeinsam mit ca. 70 Besuchern an Alberto Adriano. Der aus Mosambik als Vertragsarbeiter in die ehemalige DDR gekommene Familienvater wurde am 10. Juni 2000 von Neonazis überfallen und brutal zusammengeschlagen. Wenige Tage später starb er an seinen schweren Verletzungen. Moderiert von Jana Müller (Alternatives Jugendzentrum e.V), sprachen in diesem Jahr Gedenkworte: die Vizepräsidentin des Landtags von Sachsen Anhalt, Frau Dr. Helga Paschke und der Oberbürgermeister der Stadt Dessau-Roßlau, Herr Klemens Koschig. Die Erinnerungsworte und auch die Lesung verwiesen auf den inzwischen erweiterten Rahmen der Gedenkveranstaltung.
Dr. Helga Paschke begrüßte diese Entwicklung und das von der Vorbereitungsgruppe „Tag der Erinnerung“ beabsichtigte „Gedenk- und Erinnerungskonzept“. Demnach sollen auch die Biografien und Tathintergründe weiterer der insgesamt 182 Opfer rechter Gewalt deutschlandweit seit 1990 in den Fokus genommen werden und zukünftig auch an anderen (Tat)orten Sachsen-Anhalts und in enger Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen und Initiativen sowie Trägerschulen „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ aufbereitet und pädagogisch umgesetzt werden. Klemens Koschig erinnerte an die jahrelang Fehleinschätzung, die ein Netzwerk von mordenden Rechtsterroristen für unmöglich hielt – ja nicht einmal ernsthaft in Erwägung zog. Mit der Aufdeckung des NSU-Mordtrios sei nicht nur diese Grundannahme auf erschütternde Weise hinfällig geworden – auch die Rolle von Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutz musste und muss rekonstruiert und hinterfragt werden.
Dem traditionellen interreligiösen Gebet schloss sich eine bewegende Lesung sehr eindrücklicher Passagen aus dem Buch „Schmerzliche Heimat“ von Semiya Simsek, der Tochter des 1. Opfers der NSU-Mordserie, an – vorgetragen von einer Schülerin des Gymnasiums „Walter Gropius“ aus Dessau-Roßlau.
Im Anschluss an die Blumenniederlegung wurde am Hauptbahnhof eines weiteren Opfers rechter Gewalt gedacht. Hans-Joachim Sbrzesny wurde dort am 1. August 2008 an einer Parkbank von Jugendlichen, die der rechten Szene nahestehen, zu Tode geprügelt. Mit einem Gedenkwort erinnerte Joachim Liebig, Präsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts.
Die dritte und letzte Erinnerungsstation war das Multikulturelle Zentrum, in dem die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ eröffnet wurde. Sie stellt auf insgesamt 22 Tafeln die Biografien der Opfer dar, beleuchtet die Neonaziszene der 90er Jahre, aus der sich das NSU-Mordtrio entwickelte und stellt Gründe dar, warum die Mordserie nicht aufgedeckt wurde bzw. wie mit dem Themenkomplex in der ermittlungstechnischen und gesellschaftspolitischen Aufarbeitung bis heute umgegangen wird.
Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte der Landesregierung, eröffnete die Ausstellung und übergab an die Ausstellungsmacherin Birgit Mair vom Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e.V.
TIPP: Die Ausstellung zieht im Juli weiter in die Landeshauptstadt und ist vom 7. bis 19. Juli 2014 im City-Carré Magdeburg zu sehen. Zur offiziellen Eröffnung am Montag, dem 7. Juli um 17.00 Uhr lädt herzlich das Organisationsteam Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V., Miteinander e.V. sowie die Fraktion Die LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt ein.
Veranstalter des Tags der Erinnerung ist die gleichnamige Vorbereitungsgruppe, in der auch die AGSA mitwirkt. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung statt mit Unterstützung der Integrationsbeauftragten der Landesregierung und wird koordiniert vom Multikulturellen Zentrum Dessau e.V.
Foto/s: Multikulturelles Zentrum Dessau